Die 200-Tage-Linie im Trading: Ein einfacher Weg, den Markt zu verstehen
- Fabien Fischer
- 17. Jan.
- 5 Min. Lesezeit
Einleitung:
In der Welt des Tradings gibt es eine ganze Reihe von Kennzahlen, die dir helfen können, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Eine dieser Kennzahlen ist die 200-Tage-Linie – ein relativ einfacher, aber mächtiger Indikator, der dir zeigt, wie sich ein Wertpapier oder ein Index langfristig entwickeln. Aber was genau ist die 200-Tage-Linie und wie kann sie dir helfen, deinen Trading-Erfolg zu steigern? Ich habe 3 Varianten im S&P 500 getestet. Die Ergebnisse meiner Tests findest du hier!
Was ist die 200-Tage-Linie?
Die 200-Tage-Linie ist einfach gesagt der gleitende Durchschnitt der letzten 200 Tage eines bestimmten Wertpapiers. Sie zeigt dir den Durchschnittspreis des Wertes über diesen Zeitraum und gibt so einen klaren Überblick über den langfristigen Trend.
Warum 200 Tage?
Warum ausgerechnet 200 Tage und nicht 100 oder 300? Der Grund liegt in der Tradition und der praktischen Anwendung: 200 Tage repräsentieren etwa ein Kalenderjahr (mit Wochenenden und Feiertagen), was für viele Analysten und Trader eine verlässliche Zeitspanne ist, um den langfristigen Trend eines Marktes zu beurteilen.
Wie wird die 200-Tage-Linie berechnet?
Die Berechnung ist ziemlich einfach: Du nimmst die Schlusskurse eines Wertpapiers über die letzten 200 Tage und teilst die Summe durch 200. Dadurch erhältst du den Durchschnittspreis, der als Linie im Chart dargestellt wird. Diese Linie kann dir helfen, sowohl die allgemeine Richtung als auch die Stärke eines Trends zu erkennen.
Vor- und Nachteile der 200-Tage-Linie
Vorteile:
Langfristiger Trendindikator: Die 200-Tage-Linie zeigt dir den übergeordneten Trend eines Marktes. Wenn der Kurs über der Linie liegt, deutet das oft auf einen Aufwärtstrend hin; liegt der Kurs darunter, ist das Zeichen für einen Abwärtstrend.
Einfache Anwendung: Sie ist leicht zu berechnen und in praktisch jeder Chartsoftware verfügbar – ideal für Einsteiger, die sich in der Welt des Tradings zurechtfinden wollen.
Verlässlichkeit: Viele Trader und Investoren achten auf die 200-Tage-Linie, was dazu führen kann, dass sich bestimmte Trends noch verstärken, wenn viele darauf reagieren.
Nachteile:
Verzögerung: Die 200-Tage-Linie ist ein sogenannter „verzögerter Indikator“. Das bedeutet, sie reagiert erst, nachdem der Markt bereits einen Trend entwickelt hat. Das kann zu verpassten Chancen führen.
Kein perfekter Indikator: Wie alle Indikatoren ist auch die 200-Tage-Linie nicht immer 100% zuverlässig. In volatilen oder seitwärts laufenden Märkten kann sie falsche Signale liefern.
Nicht kurzfristig: Für Day-Trader oder sehr kurzfristige Anleger ist die 200-Tage-Linie oft weniger nützlich, da sie mehr für die langfristige Orientierung gedacht ist.
Wie kannst du die 200-Tage-Linie im Trading nutzen?
In diesem Beitrag möchte ich mich alleine auf die 200-Tage-Linie konzentrieren und die Wertigkeit dieser bestimmen. Die entscheidende Frage für mich: Bringt sie mir einen Mehrwert, bzw. Vorteil gegenüber reinem "Buy and Hold". Einige Trader nutzen sie als Teil eines größeren Analysetools, kombinieren sie z.B. mit anderen Indikatoren wie dem RSI (Relative Strength Index) oder Bollinger-Bändern, um bessere Ein- und Ausstiegspunkte zu finden.
Eine häufige Anwendung ist das sogenannte „Crossing“: Wenn der Kurs die 200-Tage-Linie von unten nach oben schneidet, könnte das ein Zeichen für einen Kauf sein. Wenn der Kurs die Linie von oben nach unten schneidet, ist es oft ein Signal für einen Verkauf. Man kann aber auch ganz einfach sagen: Wenn der Schlusskurs oberhalb der Linie schließt, dann kauft man, unterhalb hat mein ein Verkaufssignal. In meinen Tests habe ich beide Methoden untersucht. Es gab keine signifikanten Unterschiede.
Die 200-Tage-Linie-Varianten
Nachdem wir nun die Grundlagen der 200-Tage-Linie und ihre Vor- und Nachteile besprochen haben, möchte ich dir einige Ergebnisse aus meinen eigenen Backtests vorstellen. Ich habe 3 Strategien analysiert, basierend auf der 200-Tage-Linie. Diese können dir als Inspiration für deinen eigenen Trading-Ansatz dienen.
1. Strategie "Kurs über/unter 200-Tages-Linie":
In meinen Tests habe ich festgestellt, dass eine einfache Trendfolge-Strategie mit der 200-Tage-Linie recht gut funktioniert. Die Grundregel dabei ist einfach:
Kaufe, wenn der Kurs über der 200-Tage-Linie liegt (bullischer Trend).
Verkaufe, wenn der Kurs unter der 200-Tage-Linie liegt (bärischer Trend).
Diese Strategie hat sich in einem steigenden Markt als sehr profitabel erwiesen. In einer „Bullenphase“ war der Kurs oft über der 200-Tage-Linie, was die Gewinnchancen erhöht hat. Natürlich gab es auch Phasen, in denen die Strategie weniger erfolgreich war, besonders bei Seitwärtsbewegungen oder plötzlichen Marktumschwüngen.

2. Strategie "Steigende 200-Tages-Linie":
Eine weitere interessante Strategie, die ich getestet habe, ist die sogenannte „Steigende 200-Tages-Linie Strategie“:
Kaufe, wenn die 200-Tage-Linie ansteigt.
Verkaufe, wenn die Linie nach unten abfällt.
Diese Strategie ist vom Ansatz her nicht viel anders als die 1. Strategie.
3. Strategie "3%-Abstand zur 200-Tage-Linie":
Eine weiter verfeinerte Variante der Trendfolge-Strategie ist, den Einstieg und Ausstieg nur dann zu tätigen, wenn der Kurs mindestens 3% über bzw. unter der 200-Tage-Linie liegt. Diese Strategie zielt darauf ab, sicherzustellen, dass der Kurs deutlich in den Trendbereich eingetreten ist, bevor man eine Position eröffnet.
Einstieg: Kaufe, wenn der Kurs mindestens 3% über der 200-Tage-Linie liegt (dies deutet darauf hin, dass der Aufwärtstrend bereits in vollem Gange ist).
Ausstieg: Verkaufe, wenn der Kurs mindestens 3% unter der 200-Tage-Linie liegt (dies zeigt, dass der Abwärtstrend begonnen haben könnte).
Diese Variante hat deutlich weniger Trades als die anderen 2 Varianten.

Resultate
Die Varianten wurden im Trade Navigator gebacktestet. Als Index fungiert der S&P 500 (SPX). Die Daten reichen zurück bis zum 1.1.1950. Es wurde ohne irgendwelche Slippage oder Kommissionen getestet. Da es nur sehr wenige Trades sind, ist dies mMn nicht ausschlaggebend. Anschließend habe ich die Ergebnisse in Excel weiterverarbeitet um sie besser vergleichen zu können. Da die 3 Varianten immer mal längere Phasen haben, wo man nicht im Markt ist, habe ich das nicht-investierte Geld mit 3% angelegt. In der folgenden Tabelle habe ich die wichtigsten Werte zusammengefügt.

Es gibt hier folgende interessante Erkenntnisse:
Alle 3 Varianten haben einen deutlich geringeren maximalen Drawdown im Vergleich zum SPX. Die 3. Variante schneidet hier am Besten ab mit nur 14% vs. 42% im SPX (der SPX hatte auf Tagesbasis sogar einen noch höheren DD; beim SPX wurde nur die Daten auf Jahresbasis angeschaut)
Die 3 Varianten sind nur zu etwa 70% der Zeit im Markt. Dies reduziert das Risiko. In dieser kann man das Geld dann anders investieren (z.B. T-Bills).
Die 3. Variante erreicht eine Gewinnwahrscheinlichkeit von über 70%. Die anderen sind deutlich unter 50%. Der psychologische Aspekt, auch im Vergleich zum SPX , ist hier nicht zu vernachlässigen.
Variante 1 und 3 können den SPX outperformen, d.h. die einfache 200-Tages-Linie liefert eine höhere Jährliche Wachstumsrate (8.23%) als der SPX (8.04%). Variante 3 kann das Ergebnisse sogar auf 8.71% steigern. Auf den ersten Blick mag dies nicht hoch erscheinen, auf eine längere Zeitspanne aber umso mehr.
Fazit der Backtests:
Die 200-Tage-Linie ist ein sehr vielseitiges und interessantes Tool, das unterschiedlich eingesetzt werden kann. Alle 3 Varianten haben mMn auf lange Sicht einen Mehrwert. Die Variante mit dem 3%-Abstand zur Linie liefert in meinem Backtest die besten Ergebnisse. Stiegt der Markt über viele Jahre, riskiert man mal ausgestoppt zu werden und dann höher wieder einzusteigen. Der Mehrwert liegt aber in dem geringeren niedrigeren Drawdown, denn in längeren Abwärtsphasen ist man nicht im Markt. Dann geht man tiefer wieder rein und hat so langfristig die bessere Performance.
Wenn du die 200-Tage-Linie in deinen eigenen Tests verwendest, kannst du je nach Zielsetzung und Risikoprofil eine passende Strategie entwickeln, die dir hilft, in verschiedenen Marktphasen erfolgreich zu handeln. Die Umsetzung kann z.B. mit einem ETF auf den S&P 500 erfolgen.
PS: Hier wurde nur der SPX getestet. Weitere Tests haben ergeben, dass die 200-Tage-Linie auch hier sehr gut funktioniert.
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